Wednesday, February 15, 2006

Darja aktuell

Warum das Stück „Darja“ gezeigt werden muss

Das Stück „Darja“ entstand unter dem Eindruck des Krieges in Jugoslawien, der nicht nur wegen des Massakers von Srebreniza als schwarzer Fleck in der jüngeren Geschichte Europas besteht. Krieg in Europa, im Fernsehen schreckliche Bilder von Mord und Vertreibung, es schien unfassbar, was sich vor unseren Augen abspielte.
Im polnischen Kulturinstitut in Berlin wurde zu der Zeit die Arbeit eines polnischen Kameramannes gezeigt, mit dem Titel The Unforgiving. Er wurde niemals im deutschen Fernsehen gezeigt. Ein Zeugnis fürchterlicher Vorkommnisse, ein listiger Dokumentarfilm eines Kameramannes, der sich bei den Kriegsparteien mit dem Versprechen einschmuggelte, gegenüber den Medien ihre Wahrheit zu vertreten. So gelang dieses Dokument über den Wahnsinn dieses Krieges, dessen Hauptakteure zum Teil heute noch auf freiem Fuß sind.
Warum?
Als Hans Dietrich Genscher, damals deutscher Außenminister, mit der Anerkennung Kroatiens als eigenständigem Staat die Auflösung des Vielvölkerstaates Jugoslawien unterstützte, entwickelte sich die Dynamik dieses Konfliktes bis zur militärischen Auseinandersetzung. Man stelle sich vor, der britische Außenminister Jack Straw unterstütze die Abspaltung des katholischen Bayerns aus Deutschland auf Betreiben einer erstarkten Bayernpartei (die ja Bayern tatsächlich gern als eigenständigen Staat hätte).
Also eine äußere Macht mischt sich in die inneren Angelegenheiten eines Staates ein und bestimmt dessen Politik mit. Die staatsrechtliche Frage ist mutmaßlich bis heute nicht geklärt und verhilft dem in Den Haag vor Gericht stehenden Milosevic zu langen Verhandlungspausen.
Ungeklärt dabei auch die Rolle der katholischen Kirche, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im Bereich der Orthodoxen Kirche zu missionieren begann. Im Gegenzug segneten orthodoxe Priester die Waffen der Serben vor ihrem militärischen Einsatz.
Auf der islamischen Seite Bosnien Herzegowinas, das sich in der schwächsten Position befand, kamen nach tschtschenischem Vorbild islamistische Gotteskrieger zum Glaubenskrieg zur Hilfe, die dort militärische Trainings- und Ausbildungslager für ihre Zwecke einrichteten. Basis für einen zukünftigen, in seiner Bedeutung damals noch unterschätzten, politischen Terrorismus mit islamistischem Hintergrund.

Das Stück „Darja“, das 1997 den Else Lasker-Schüler–Dramatikerpreis zusammen mit Werner Fritsch erhielt, wurde 1998 am Pfalztheater Kaiserslautern uraufgeführt.
Es beschreibt das Schicksal einer Frau, die mit ihrem Sohn aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland flieht, wo sie von der Auslandsorganisation einer der Kriegsparteien eingeholt wird. Sie soll mit ihrem Sohn zurückkehren, da sie zu viel weiß und ihr erster Mann angeblich doch noch lebt.
So kommt es zu einem Schachspiel ähnlichen Dialog über den Wahnsinn und die Verstrickungen der Protagonisten in diesen Krieg, dessen Folgen auch heute noch durch den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo unübersehbar sind.
Als Rahmenhandlung für diesen auch sprachlich abgesetzten Teil dient die Darstellung einer brüchigen Idylle mit ihrem zweiten Mann Hermann. Die Traumatisierung Darjas durch ihre Kriegserlebnisse durchzieht ihn, so entsteht Verständnis und Anteilnahme für Kriegsflüchtlinge, die sich im Exil in ihrem schwierigen Alltag einrichten müssen.
Volker Lüdecke.